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In der Herberge 

In einer kleinen, gemütlichen und schummrigen Kneipe saßen ein paar interessante Menschen zusammen. 

Einige, die uns schon mehrmals in diesem Märchen begegnet sind, feierten zusammen mit einem reichen Kaufmann den Abschluss eines guten Geschäftes. Ihre Aufgabe war es gewesen, die Geheimnisse verschiedener Drachen zu entschlüsseln, einige Beispiele dafür einzufangen und dem Kaufmann zu liefern. Sie hatten das schnell und professionell erledigt und der Kaufmann war sehr zufrieden mit der Gruppe um den Helden Ullo, und so feierten sie ihr Geschäft mit dem guten Wein der Gegend und mit einem schönen Essen. 

"Wir haben dabei mehrmals diesen dämlichen Tischlerseppel beobachtet" berichtete der Held Ullo dem Kaufmann, "wie er versucht hat, auch Drachen zu fangen. Der Zauberer Gandalf hat drei Drachen überredet, sich ihm freiwillig zur Verfügung zu stellen, sonst hätte der das nie geschafft. Und weil er natürlich auf alles geachtet hat, nur nicht auf die Drachen, mussten die ihn fast niedertrampeln, bevor er sie bemerkte. Und ich hab immer noch den Eindruck, er hat sie nicht wirklich entdeckt, sondern Gandalf hat ihm mit einem weiteren Trick geholfen." Seine Schilderung wurde von brüllendem Gelächter aller Anwesenden begleitet. 

Von allen? Nein, an einem kleinen Nebentisch nahe bei der Eingangstür saß alleine ein Mensch über sein fast leeres Glas Wein gebeugt, der an der allgemeinen Lustigkeit nicht teilnehmen wollte. 

Einer der Gäste setzte sich zu ihm, bestellte ihm einen weiteren Schoppen Wein, und fragte, was ihn bedrückte. "Ach, das Leben ist hart!" sprach der Mann verzweifelt. Es stellte sich heraus, dass er Erzähler von Märchen, Fabeln und Geschichten war. 

"Da hab ich ein Märchen angefangen von einem total depperten Idioten, und alle wollen immer neue Fortsetzungen! Aber wenn ich dann mal schreibe, das sei ein interaktives Märchen und ein paar Fragen dazu stelle, dann antworten nur ganz wenige Menschen. Nun ja, Leute wie dieser dumme Tischlerseppel sind eben nicht wirklich interessant, die meisten Menschen hören weg, wenn es um solche Deppen geht. Und die kümmern sich nur um ihn weil er mit seinen dummen Taten jeden zum Lachen bringt." 

"Aber ich weiß die Antworten doch!" fing der Gast an. "Gandalf ist es natürlich bei der ersten Frage die zweite Antwort lautet: am Ostufer des Sees südlich von ..." 

"Halt!" unterbrach ihn der Erzähler. "Dass dieser Tischlerseppel als Mensch für so wenige Leute interessant ist, ist ja noch natürlich, wer will sich schon mit Leuten beschäftigen, die alles in den Dreck treten und krankhaft misstrauisch Ihrer Umwelt gegenüber sind. Aber jetzt fängt er an, seine eigenen Wege zu gehen. Er lernt jede Menge Quatsch von diesen Trollen und er hat ein Buch gefunden unterwegs, aus dem liest der denen jetzt immer wieder vor und behauptet, dass sei alles von ihm selbst." 

Der Gast versuchte, den Erzähler zu trösten. Doch das war schwer. 

"Pass mal auf!" begann der Erzähler. "Ich beweise es Dir. Wie hast Du die Antwort zur zweiten Frage rausbekommen?" 

"Na ist doch ganz einfach." antwortete der Gast. "Hier, ich hab einen Spiegel Nuhsgrubb, den frage ich einfach mit den richtigen Worten und schon sagt er mir die Antwort." 

"Klar, die Antwort hat ein guter Freund von mir dem Spiegel Nuhsgrubb verraten. Schon vor langer, langer Zeit. Alle kriegen die ganz einfach heraus. Nur dieser Seppel schafft es nicht, obwohl er den Spiegel schon monatelang mit sich herumträgt. Es wird laufen wie immer. Irgendjemand wird ihm mal wieder die Arbeit abnehmen und dann wird er so tun, als habe er es ganz alleine geschafft. Aber zeig Du mir mal, wie Du es gemacht hast." 

"Na, wie gesagt. Ist ganz einfach. Ich lass den Spiegel suchen nach dem Zauberer Gandalf, also ist Gandalf das erste Wort, und das zweite ist Seppel, weil Tischlerseppel zu viel ist (dass er Tischler ist, ist ja hier völlig uninteressant) und als drittes Wort nehme ich treffen, weil sich die beiden ja treffen wollen." 

Er nannte die drei Worte dem Spiegel und schon kam die Antwort: 

Wie wir uns treffen.

Geh um den großen See, Seppel. In der Vollmondnacht des Jänner. Im Podersdorfe verstecke die Drachen hinter der Windmühle. Gehe dann gen Süden, am See entlang. In Richtung des Landes der Magyaren. Nach einer Meile gehe einfach in das Schilf. Dort wirst Du mich finden. Ich werde eine Insel dort entstehen lassen. Gandalf 

Und während die beiden gespannt auf den Spiegel schauten, war hinter ihnen die Tür aufgegangen. Im Türrahmen stand der Tischlerseppel und hinter ihm war das laute Geschimpfe und Gezetere der drei Trolle zu hören.

Der Tischlerseppel aber brauchte nur fünf Minuten, um die Inschrift auf dem Spiegel zu entziffern. Dann sprang er im Gastraum umher uns rief aus:

"Sieg! Sieg! Ich habe es geschafft! Ich habe es ganz alleine geschafft. Und keiner dieser Deppen hat mir geholfen! Depperter geht es ja eh nicht mehr, als dass die glauben, der Tischlerseppel könnte mit dem Spiegel nicht umgehen! Ich habs geschafft. Ich weiß, wo ich den Zauberer treffe und ich weiß, wann das sein wird." 

So ging es in einem fort. Und der Tischlerseppel gab sich selbst ein sehr gutes Essen aus und belohnte sich mit einem Krug des besten Weins für seine große Findigkeit und Klugheit. 

Währenddessen wurde es stiller bei der Gruppe der Drachenfänger, die sich auf ihre Zimmer zurückzog. Auch der Erzähler und der Gast zogen sich zurück. 

"Nun ja, das ist nun mal der Beruf eines Märchenerzählers, dass alles wahr wird, was man sagt und schreibt. Was soll ich tun? Das nächste Mal erzähle ich ein Märchen von einem wirklich weisen Menschen. Das ist dann zwar nicht so lustig, aber es ist wenigstens nicht so deppert." 

Und damit gingen auch die beiden auf ihre Zimmer und ließen den Tischlerseppel mit den Felsentrollen allein im Schankraum zurück. 

Nur einer blieb zurück, Ralf mit Namen. Er klopfte dem Tischlerseppel auf den Rücken, gab ihm einen weiteren Wein aus und nahm ihn dann, oder besser, zog ihn fast mit Gewalt, mit in den Stall der Herberge. 

Hier waren all die Reittiere der Reisenden untergestellt, einige Drachen und noch mehr Ponies und Pferde. Und der Drachenfänger Ralf deutete auf die Pferde und auf die Futtertröge vor ihnen. 

"Heh Tischlerseppel!" rief er. "Was siehst Du da?" 

Der Tischlerseppel hatte seinen Wein aus irgendeinem Grund in eine Kaffeekanne umgefüllt, wahrscheinlich, um mehr davon in den Stall mitnehmen zu können, er nahm einen großen Schluck und biss auch noch mal in den Kuchen, den er vom Wirt bekommen hatte. 

"Nun ja, die Lampen in diesem Stall sind nicht besonders hell." sagte der dann behäbig. "Schau mal, wenn ich mich unter so ein Pferd lege, dann ist gar kein Licht mehr zu sehen, nur vielleicht noch ein rotes Glühen im Heu, das die Pferde gerade fressen." 

"Hah!" rief Ralf. "Du siehst also, dass Pferde doch Heu fressen! Gibst Du endlich zu, dass Pferde Heu fressen?" 

"Na wenn schon," sprach der Tischlerseppel, "aber hast Du die mondförmige Zeichnung im Fell des Pferdes gesehen, unter dem ich gerade gelegen habe? Weißt Du, was mir diese Zeichnung sagt. Weißt Du, was man damit beweisen kann?"

"Und die Sache mit dem Heu?" fragte Ralf. 

"Ach, damit wollte ich Dich ja nur in den Stall locken, um Dir diese Zeichnung im Fell des Pferdes zu zeigen. Ist mir doch toll gelungen, Dich auch hier wieder reinzulegen." behauptete der Tischlerseppel. "Jetzt will ich aber selbst meinen Spiegel Nuhsgrubb benutzen, um einige depperte Sprüche zu machen, und dann will ich ins Bett, weil ja den See und den Ort Podersdorf finden muss. Wenn ich nur wüsste, wo das ist..." 

Ralf schüttelte den Kopf, als er über den Hof zu seinem Zimmer ging. Vor ihm lief der Tischlerseppel und grummelte seltsame Sprüche vor sich hin. Deutlich hörte Ralf ab und zu "eckige Klammer auf" und "eckige Klammer zu". Und von oben aus seinem Zimmerfenster beobachtete der Erzähler die Szene und dachte darüber nach, was dem Tischlerseppel wohl auf dem Weg nach Podersdorf noch alles passieren könnte, würde, sollte, möchte.... 

 
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