zur übergeordneten Seite

 zur Startseite

 

Drachenjagd
oder
Jagt der Tischlerseppel Drachen oder die Drachen den Tischlerseppel?

Die Welt war schön für den Tischlerseppel! Jetzt kam er noch langsamer voran, als vorher. Ohne die drei Trolle war er ja schon sehr langsam gewesen, weil er gerne Rast machte, um mal wieder im Kreis zu denken, aber jetzt machten die Trolle noch häufiger Rast, um sich zu streiten und endlos Bildkritiken oder Fragelisten aufzusagen (Dowuck), eine halbe Stunde lang einfach nur zu schimpfen (Lorehanne) oder noch länger immer die gleichen Sprüche aufzusagen (John Mallo). Felsentrolle sind nun einmal so, und die meisten Menschen fühlen sich davon abgestoßen, aber dem Tischlerseppel gefiel das, weil es so schön zu rein gar nichts führte.

Aber seine eigenen Lieblingsthemen (Heu in Pferdegulasch, Landen von Drachen auf dem Feuerstrahl, die heiße Verbrennung im Lagerfeuer, damit es nicht so lange brannte, und die Tatsache, dass alle Naturgesetze, die Astronomen und Alchimisten aufstellten von ihm nicht verstanden wurden und deshalb falsch sein mussten), das kam alles etwas zu kurz dabei.

Trotzdem war er begeistert von den drei Trollen und lernte eifrig die reichlich schlüpfrige des Dowuck (bald schon übte der Tischlerseppel heimlich Grüße wie "Bussi" oder übte sich in Aussagen über den Gebrauch der Zunge an Körperregionen, die er sich dafür vorher kaum vorstellen konnte - und näherte sich damit deutlich einem ganz anderen Ufer), lernte noch eifriger all die schönen Schimpfworte von Lorehanne und am eifrigsten die schönen nichts sagenden Sätze von John Mallo.

Zwischendurch las der Tischlerseppel in dem Buch, das er gefunden hatte. Lesen mochte er gar nicht, das ging ihm viel zu langsam. Nebenbei: es ging auch seinen Enkeln beim Vorlesen zu langsam, weshalb sie tagsüber von ihm nichts vorgelesen haben wollten und abends lieber freiwillig schon während des erstens Satzes einschliefen, statt die ganze Nacht über der Gute-Nacht-Geschichte zuzuhören.

Aber dieses Buch handelte von ihm selbst, oder richtiger von dem Engelchen oder Teufelchen, das er dereinst sein würde. Und beide berichteten, wie sich seine Lebensweisheiten auswirken würden oder schon ausgewirkt hatten.

Zu "Wie Du mir so ich Dir" sagte das Teufelchen: "Gute Einstellung! Egal, ob die anderen es böse gemeint haben, oder Du es nur falsch verstanden hast, hau immer voll drauf, dann weiß jeder sofort, wo es lang geht. Es ist Aufgabe der anderen, Dich gut zu behandeln." Und das Engelchen meinte: "Ja, das ist der beste Weg, sich weit mehr als die Hälfte der Menschen zum Feind zu machen und vor allem die zu vergraulen, die Dir helfen können."

Oder folgender Rat des Teufelchens, der dem Tischlerseppel sehr gut gefiel: "Mach immer das Gegenteil von dem, was die anderen erwarten, wozu man Dich auffordert oder worum man Dich bittet. So wirst Du unberechenbar und keiner weiß, was Du als nächstes tun wirst." "Ha ha" machte dazu das Engelchen. "Ein gewisser Daniel nutzt das ja schon kräftig aus, indem er immer das vorschlägt, was er gerade nicht von Dir möchte und er nur formulieren muss, was Du nicht tun sollst, damit Du es um so sicherer machst. Oder denk an jenen seltsamen Drehorgelspieler, der das ausnutzt, indem er auf eine Weise mit Dir schimpft, dass Du mit Deiner Reaktion immer ganz schön lächerlich dastehst."

Tatsächlich kannte der Tischlerseppel diese beiden Gesellen aus den Spiegeln Flohrum und Nuhsgrubb und wenn er genau nachdachte, dann hatte das Engelchen doch eigentlich ... NEIN! Das durfte einfach nicht sein! Das Teufelchen musste Recht haben. Er würde nicht so einfach aufgeben, immer das Gegenteil zu tun. Das wäre ja noch schöner.

So kommt es übrigens, dass man die Tischlerseppel dieser Welt eigentlich ganz einfach steuern kann. Schlag einfach vor, was sie nicht tun sollen, und sie werden es zuverlässig tun. Sag Ihnen: "Lass das sein" und sie werden es tun. Sag Ihnen: "Bring Argumente!" und sie werden aufhören zu argumentieren. Sag Ihnen: "Lass uns über was anderes reden." und sie werden zum Thema zurückkehren. Ganz einfach sie zu steuern. Sie tun zuverlässig immer das Gegenteil. Probiert es aus, Ihr begeisterten Leser dieses Märchens, denn auch Euch stehen die Spiegel Flohrumm und Nuhsgrubb zur Verfügung.

"Siehst Du", las der Tischlerseppel noch vom Engelchen. "Das ist der beste Weg, ein unglückliches und wenig erfolgreiches Leben zu führen."

Das verstand der Tischlerseppel wieder mal nicht und ließ sich gerne von John Mallo unterbrechen, der ihm etwa dreißig mal einen nicht ganz neuen Spruch ins Ohr brüllte: "Da bin ich ja froh, dass ich nicht so gestoert bin!"

Die Rast endete damit, dass der Tischlerseppel ein gewaltiges Rauschen am Himmel vernahm und er sah einige Drachen vorüberfliegen. Einige der Drachen waren mit Reitern besetzt, die offensichtlich weitere Drachen gefangen hatten. Irgendwie kannte der Tischlerseppel die alle. Da waren der freche Daniel aus der Gruppe wilder Menschen, die ihm schon mal zu früh aus einem Traum geweckt hatten, da war der Held Ullo und gleich dahinter der Ritter Bruhaha. Der nächste musste jener Uwe sein, der immer alles besser wusste als der Tischlerseppel und schließlich kam da noch eine Gestalt, die eine riesige Drehorgel auf einen Packdrachen geschnallt hatte...

Lachend flog die Gruppe vorüber, vier Menschen, die genau wussten, wie man schnell Drachen fängt, die der Tischlerseppel aber lieber nicht zu Freunden haben wollte, weil er sonst selbst hätte freundlich werden müssen.

Aber das Erlebnis spornte ihn an, die Trolle anzutreiben, in die Richtung weiterzuziehen, in der er Drachen vermutete.

Und wie schon fünf mal vorher schaute der gewaltige Drache Saturan Vau auf die Szene herunter. Es war ihm wieder einmal nicht gelungen, die vier Reisenden auf sich aufmerksam zu machen. Die Trolle brüllten und schimpften zu laut, so dass sie nicht einmal das gewaltige Drachengeschrei wahrnahmen. Und der Tischlerseppel war viel zu sehr mit seinen eigenen kreisenden Gedanken beschäftigt oder mit dem Bewundern der drei Trolle, dass er völlig übersah und überhörte, was da in seiner allernächsten Nähe vorging.

Auch das, liebe Leser, ist eine verbreitete Eigenschaft von Tischlerseppeln und Trollen: Sie nehmen kaum etwas Interessantes wahr, sie merken es einfach nicht, wenn man ihnen die Lösung praktisch auf dem Tablett serviert. Statt dessen beschäftigen sie sich selbstverliebt mit ihren eigenen Sprüchen oder lassen sich von Kleinigkeiten ablenken, wie von am Himmel fliegenden Drachenfängern, mit denen sie sich gerne streiten.

Saturan Vau trommelte mal wieder ungeduldig mit seinen Drachenkrallen auf einen Felsen, wie es Menschen manchmal mit den Fingern auf Tischen machen. Jetzt wäre es schön, vor Wut in ein großes Stück Holz zu beißen, dachte er und biss eine mächtige Eiche in drei Teile, womit er sie vorzeitig vor dem Schicksal bewahrte, bei den Menschen als Tisch zu dienen.

Dann winkte er seinen beiden kleineren Drachenbrüdern und tanzte um die Gruppe der vier Reisenden herum, heftig bemüht, auf sich aufmerksam zu machen.

Warum hatte der Zauberer ihm nur diesen Auftrag gegeben? Interessant würde es ja sein, zum Mond fliegen zu dürfen (insgeheim freute er sich darüber, den Erdtrabanten ein weiteres Mal zu besuchen), aber mit diesen vier nichtsnutzigen Nichtsmerkern eine Arbeit gemeinsam erledigen, das kann fürwahr eine Strafe sein. Warum, so dachte er, führten die Menschen nicht mal ein Formular ein, dass man solchen Leuten anhängen konnte, und das alle anderen davor warnte, dass diese Typen eben so rein gar nichts merkten?

Enttäuscht und wütend trat Saturan Vau vor einen Felsen, den wir vielleicht schon als kleinen Hügel bezeichnet hätten, kickte ihn auf diese Weise in Richtung der Wanderer, so dass er wie ein gewaltiges Geschoss zwischen John Mallo und dem Tischlerseppel hindurch flog. Aber die beiden zelebrierten gerade die permanente Wiederholung des Spruches "Wer weiß es, wer weiß es?" im Chor, so dass sie nicht merkten, wie dieser Felsen ihnen die Hüte fortwehte und dann 40 Fuß vor Ihnen in eine kleine Lichtung knallte.

Es gab ein kleines Erdbeben deswegen, und Lorehanne fing deswegen heftigst an zu schimpfen, woraufhin die Reisegesellschaft im Schatten des gerade gelandeten Felsens die nächste Rast einlegte.

Nun, fassen wir die nächsten 14 Tage einfach kurz zusammen. Die vier Reisenden merkten auch weiterhin nicht, dass da drei Drachen um sie herumtanzten und auf sich aufmerksam machen wollten. Es wird langweilig, von der Strecke von gut zwei Meilen zu berichten, die sie dabei zurücklegten, und die Diskussionen, die sie dabei führten, sind ebenso überflüssig, für gescheite Leute festgehalten und wiedergegeben zu werden.

Erst nach über zwei Wochen also lag der Tischlerseppel einmal im Gras und spielte mit den Ringen des Zauberers herum, steckte sich die zum Spaß an die Finger und drehte sie auch hin und her.

Bautz! Da lag der kleine Drache Lemm auf seinem linken Fuß und Saturan Vau landete genau zwischen John Mallo und dem Dowuck, während der dritte Drache beim Einschlafen die zeternde Lorehanne unter sich begrub.

Jetzt war tatsächlich mal für 10 Sekunden Ruhe und das fiel dem Tischlerseppel auf. Er sah sich um, bemerkte endlich die drei schlafenden Drachen und freute sich.

"Ich habe drei Drachen gefangen." jubelte er und tanzte herum. "Ich bin der Größte! Ich bin listig genug, drei Drachen auf einen Streich zu entdecken, zu fangen und zu betäuben. Keiner kann das so gut machen wie ich. Alle anderen sind Nichtskönner. Ich bin der Größte. Keiner ist so schlau wie ich. Keiner kann so viel wie ich." so freute er sich, während die uns schon bekannten Ritter und Helden über ihm mit der inzwischen vierten Horde Drachen zum Zauberer flogen.

Aber der Tischlerseppel war froh. Der schwierigste Teil der Aufgabe war von ihm erfüllt und jetzt kam der nächste schwierigste Teil der Aufgabe: herausfinden, wo der sich mit dem Zauberer treffen sollte.

Zufrieden legte er sich ins Gras, schlief ein und fing wieder an zu träumen.

Diesmal war es ein Traum von all den Erfolgen, die er im Leben schon erlebt hatte. Es fing an, wie er gerade eben die Drachen entdeckt hatte und durch die ihm angeborene List nach mühsamem Kampf besiegt hatte (Tischlerseppel machen das so: egal was passiert und wie es passiert, sie sind immer die, die es zuerst entdeckt haben und die Lösung ganz allein gefunden haben, ohne jede Hilfe und sogar gegen den Widerstand von anderen, die ihnen Ratschläge erteilt haben), es ging weiter mit seiner tollen List, dem Bäcker nie mehr zu bezahlen, als er für die 6 Semmeln zu bekommen hatte, er sah noch einmal voller Stolz, wie der Förster ihm wohl zwanzig mal gezeigt hatte, wie man einen kleinen Baum fällt (ja, so schnell lernt ein Tischlerseppel) und er träumte davon, wie er ein knappes Jahr zusammen mit einem Gaukler eine Schule besucht hatte und wie sie dann gemeinsam beschlossen hatten, es besser zu wissen als all die Lehrer dort. Und schließlich genoss er den Stolz darauf, dass er auch morgen wieder die Trolle mit Speck und altem Brot aus seinem Reisesack versorgen würde, ein Trick, von dem er gänzlich überzeugt war, dass er genau wusste, wie das klappte. Ja, die Welt war schön für den Tischlerseppel!

Lassen wir ihn noch eine Weile in diesem schönen, wenn auch unrealistischen Traum...

Zum Abschluss dieses Teils des Märchen muss ich einfach mal testen, ob Ihr wenigstens nicht merkbefreit seid und alles mitbekommen habt, worum es hier geht. Darum stelle ich Euch folgende Fragen:
  1. Wie heißt der Zauberer, der dem Tischlerseppel manchmal über den Weg läuft und nur gute Tipps gibt?
  2.  Wo will er sich mit dem Tischlerseppel treffen? Habt Ihr das schon im Spiegel Nuhsgrubb gefunden?
  3. Welches Geschlecht hatten die beiden Sonnenstrahlen Hitzi und Flitzi?
  4. Wo befindet sich Hypia, während der Tischlerseppel nach den Drachen sucht?
  5. Soll Pia eigentlich zum Tischlerseppel zurückkehren, oder soll sie ihn endgültig verlassen? Hier ist Eure Meinung gefragt. Deshalb ist dieses Märchen interaktiv.
  6. Macht mal eine Überschlagsrechnung, wie viel der Bäcker und der Schreiber schon an den Semmelkäufen des Tischlerseppel verdient haben.
  7. Warum interessiert niemanden mehr, ob Sternenstaub farbig ist und ob deshalb auch der Mond unterschiedliche Farben an der Oberfläche haben kann?
  8. Was ist mit dem Haus vom Tischlerseppel passiert?
  9. Was werden die Tischlerseppel - Engelchen und -Teufelchen wohl zu der Frage "Lohnt sich eine solide Ausbildung oder soll man lieber einen Tischlermeister dadurch bestrafen, dass man ihm einen Lehrling unterjubelt?" geschrieben haben?
  10. Was soll diese Aufmerksamkeitsprüfung überhaupt?

 

 
zur übergeordneten Seite

 zur Startseite