zur übergeordneten Seite

 zur Startseite

 

Aufbruch in den Wald

"Hör mal, Zauberer, wie heißt du eigentlich?" fragte neugierig der Tischlerseppel während er schnaufend neben dem großen Magier mit dem langen grauen Bart durch den Wald stapfte. Es würde noch eine ganze Stunde dauern bis zur Dämmerung und so ohne Frühstück durch den dunklen Morgen zu laufen, gefiel dem Tischlerseppel gar nicht.

Sie waren aufgebrochen, gleich nachdem der Magier den armen Tischlerseppel so rüde geweckt hatte. Der musste die beiden Spiegel einpacken, stellte fest, dass die Speisekammer mal wieder ganz leer war (wie hatte das seine Pia nur immer gemacht, dass die Speisekammer immer so gefüllt war?), weil er nichts besorgt hatte und hatte dann nur noch Zeit, ein paar wichtige Dinge zusammenzuklauben, dann ging es auch schon los.

Er gab sich alle Mühe, seine Spuren zu verbergen, wie es der Magier bestimmt hatte. Ja, da kannte der Tischlerseppel einige Tricks! Aber die waren meistens gar nicht nötig, weil der Boden sehr felsig war. Der Magier hatte sich gar nicht so viel Mühe gegeben, der war nach einer Strecke einfach stehengeblieben, hatte sich kurz umgedreht und den Zauberstab geschwenkt und schon waren alle seine Spuren im Sand, die geknickten Zweige an den Büschen und sogar zwei umgetrampelte Blumen verschwunden.

"Ich weiß nicht, warum ihr Seppels euch das immer so kompliziert macht." brummte er grinsend. " So ein bisschen Magie macht doch alles viel einfacher."

Kurz darauf lag ein Donner in der Luft und der Tischlerseppel sorgte sich, dass es vielleicht anfangen würde zu regnen.

Jetzt, im Wald, antwortete der Zauberer nicht und der Tischlerseppel wurde böse. Man sollte ihn nicht so ignorieren.

"Wie du heißt, hab ich gefragt." sagte er bockig.

"Warum willst du das wissen, du Wicht?"

"Na, wie soll ich dir vertrauen, wenn ich nicht weiß, wer du bist?" fragte der Tischlerseppel triumphierend. "Wer seinen Namen nicht nennt, ist so ein billiger Kreuzerbube, der mir Böses will. Und den ich betrügen muss und hereinlegen und falsche Informationen geben. Denn bei mir gilt ja, wie du mir, so ich dir."

"So, so," meinte der Magier. "Das ist aber eine sehr schlechte Lebenseinstellung. Hab ich dir nicht gerade gezeigt, dass ich auch Deine Spuren hätte verschwinden lassen können, wenn Du etwas kooperativer gewesen wärst bei unserem Aufbruch? Und beweist nicht die Tatsache, dass du noch lebst, dass du mir voll vertrauen kannst? Hab ich nicht rechtzeitig wecken lassen in deinem Traum von der Hypia, bevor du den Wunsch zu deinem Verderben sagen konntest? Hast du nicht gerade auch den Donner gehört, als die bösen Mächte dein Haus zerstört haben? Und ist es nicht egal, ob ich Merlin, Potter, Rincewind, Gandalf, Copperfield, John Dee, Dumbledore, Crowley oder Miraculix heiße, weil doch jeder von diesen dein kleines Leben mit einem Wink des Zauberstabes längst hätte beenden können? Es wird besser für dich sein, mir voll und ganz zu vertrauen, auch wenn du nicht weißt, welcher dieser Magier ich wirklich bin, sonst ist dein armseliges kleines Leben keinen halben Kreuzer mehr wert."

Der Tischlerseppel mochte das gar nicht glauben. Aber es sollte wohl sein Schicksal sein, immer wieder auf so grässliche Menschen zu treffen, die ihm seine Fehler zeigten und ihn so wenig lobten für die Eigenschaften, mit denen er sich so reichlich ausgestattet glaubte.

"Du wirst gute Freunde brauchen," sprach der Magier weiter, "wenn du Drachen fangen und zum Treffpunkt bringen willst. Wie viele gute Freunde hast du, die ehrlich zu dir sind und denen du vertrauen kannst?"

"Oh, viele!" strahlte der Tischlerseppel. "Da ist zum Beispiel der Held namens Hugg-Bahr, der hat noch nie ein böses Wort zu mir gesagt. Und er lobt mich für vieles, über das andere schimpfen."

"Aha!" Der große Magier sah den Tischlerseppel zweifelnd an. "Und du glaubst all den Schmeicheleien, nur weil sie süß wie Honig sind und er dir nie einen Fehler zeigt? Seltsame Menschen nennst du Freund. Und du bist sicher, dass der es ernst meint, und dich lobt, wenn alle anderen sagen: heh, da ist ein Fehler! Vergiss ihn, er wird einen Drachen nie halten können!"

"Aber Jakobus, der tapfere Krieger. Er hält immer zu mir!"

"Nun, hat er dir schon mal eine wirklich konkrete Antwort gegeben? In der letzten Zeit habe ich nur gesehen, dass er dir ausweicht, ohne dich direkt anzugreifen. Aber den grinsenden Unterton in seinen kurzen Bemerkungen, den hören anscheinend alle mit – außer dir, du kleines Dummerchen. Denk doch zum Beispiel an seine Empfehlung letztens, dass du einen sehr teuren Rechtsverdreher suchen sollst, wenn du ein Problem hast. Kannst du dir dass denn leisten? Hast du zwar behauptet, aber schau doch in deinen Geldbeutel. Vergiss auch diesen zugegeben ironischen, aber für dich unpassenden Menschen."

"Dann aber Caleinsius, den Maler, der so viel Ahnung vom Bildermachen hat."

"Aber der vieles durcheinander wirft und, wenn er genau gefragt wird, einfach behauptet: ich weiß es besser oder einfach aufhört zu diskutieren. Nein, auch der wird nicht zu dir stehen, wenn er merkt, dass es gilt, dich voll und ganz zu unterstützen. Dann wird der kneifen und zugeben, dass er so viele Pinsel noch nicht in der Hand hatte. Sei da nicht so sicher, dass er wirklich ein Maler ist."

"Aber du kannst mir doch nicht alle meine Freunde miesmachen!" beklagte sich der Tischlerseppel.

"Nun, bisher hast du mir niemanden genannt, der das Wort Freund aus deinem Munde verdiente. Aber du hast viele nicht genannt, die sich schon getraut haben, dir zu zeigen, wo du irrst, die deinen Spott hingenommen haben ohne sehr viel davon zurückzugeben, die dir sehr geholfen haben mit Rechnen und Beweisen, auch wenn du das nicht einsiehst und meinst, es besser zu wissen. Menschen, die du offen ausgelacht hast, anstatt über ihre Worte nachzudenken ... Bevor du die drei Drachen fängst, musst du drei Freunde finden, die dir wirklich helfen wollen und die dir nicht schönreden. Denk dran, dass davon dein Leben abhängt."

Der Tischlerseppel wollte das alles nicht glauben. Alles ging in seinem Kopf herum, aber er vergaß es erst einmal wieder, weil ihm etwas anderes einfiel.

"Sag mir, wie die Drachen das machen sollen, auf ihrem Feuerstrahle zu fliegen und zu landen. Das geht doch nicht."

"Nun, auch das wirst du nicht verstehen." begann der Magier. "Aber ich will es trotzdem versuchen. Du warst doch schon einmal auf einem Jahrmarkt und hast die gelbhäutigen Gaukler aus dem fernen Orient gesehen, die Teller auf wirbelnden Stäben balancieren. Nicht wahr?"

"Ja," strahlte der Tischlerseppel, "erst letztes Jahr waren solche Gaukler in unserem Dorfe."

"Und wie lange können die die Teller balancieren?"

"Ich sah einen, der machte es eine halbe Stunde lang und turnte dabei noch eifrig herum. Übrigens, ich kann das auch!" behauptete der Tischlerseppel.

"Ja?" Der Magier staunte. "Wie lange bleibt dein Teller oben?"

"Einmal ganze zwei Sekunden. Aber wenn ich 10 Teller hintereinander nehme, bin ich ja fast schon so gut, wie diese gelbem Gaukler."

"Ja, ja, ich weiß, du hast eine seltsame Meinung darüber, ob du etwas kannst oder nicht." seufzte der Magier. "Und ich weiß auch, dass, wenn du rechnest immer ganz Erstaunliches dabei herauskommt. Aber nun weiter. Zu den Drachen. So wie die gelben Gaukler den Teller mit schnellen kreisenden Bewegungen im Gleichgewicht halten, können auch Drachen mit ihrem biegsamen Hals ihren Feuerstrahl beim Landen ein wenig kreisen lassen. Und so können sie sich mit dem ganzen Körper tatsächlich aufrecht halten und auf dem Feuerstrahl landen. Und sie können das sehr angenehm für Mitreisende machen (wenn sie wollen), indem sie am Schluss immer weniger Feuer speien, so dass sie ganz weich landen und die Landschaft unter ihnen nicht verbrennt. Ich sah einmal einen gewaltigen Drachen auf einem Heuhaufen landen und als in nachsah, war nur ein ganz winziges Hälmlein etwas angekokelt. Denk drüber nach, denn dass dies möglich ist, wird ebenfalls dein Leben retten."

Nun, dem Tischlerseppel war gar nicht wohl zumute. So wie dieser Zauberer hatte es ihm noch niemand zuvor erklärt, und doch wollte er es nicht glauben, denn er hatte ja zu vielen Menschen schon lauthals erklärt, dass man eben auf einem Feuerstrahle nicht landen könne. Ihm würde schon eine gute Ausrede einfallen, warum es doch nicht sein konnte, oder warum er schon immer der Meinung des Magiers gewesen war ...

So gingen sie weiter in den Wald hinein. Gut, dass der Magier dabei war, denn sein Zauberstab fetzte so manche Gefahr aus dem Weg. Zuerst einen Felsentroll, der den armen Tischlerseppel zerquetschen wollte, dann einen eingebildeten Till, der immer vor dem Seppel herumsprang, um ihn in die Irre zu leiten. Gleich darauf einen weiteren von diesen Tills und dann einen riesigen Eber, dessen Hinterschinken den beiden einen guten Braten am Abend lieferte.

So wanderten die beiden durch den Wald und des Magiers Zauberstab fegte wohl ein Dutzend Gefahren aus dem Weg, bis sie endlich Rast machten.

"Ich werde dich heute Nacht verlassen." sprach der Magier nach dem Braten. "Du kennst Deine Aufgabe. Finde drei feuerspeiende Drachen, davon einen sehr großen und finde drei echte Freunde, die dir helfen die Drachen zu unserem Treffpunkt zu bringen. Als kleine Hilfe bekommst du von mir drei Ringe, die es vermögen, einen Drachen zu lähmen, so dass du sie leichter besiegen kannst. Setze sie klug ein!"

"Nein, du kannst mich nicht verlassen. Wie soll ich mich wehren gegen die Gefahren des Waldes und wie soll ich wissen, wo wir uns wieder treffen sollen?"

"Nun, unser Treffen wird dir der Spiegel Nuhsgrub verraten."

"Und wie geht das? Das ist doch wohl ein Witz, dass das einfach so geschehen soll."

"Ach, Seppel, warum kannst du nicht ein einziges Mal auf mich vertrauen? Ich hab dir doch gar nichts getan. Ein sehr lieber Mensch, übrigens einer, den du auch schon mal nach Strich und Faden beleidigt hast, hat für mich schon längst unseren Treffpunkt dem Spiegel Nuhsgrub verraten. Und stell dich nicht so an, als könntest du über den Spiegel nicht mit der weisen weißen Eule G'Uhu-Gell sprechen. Du weißt, Du musst ihr nur ein paar Worte nennen, meinen und deinen Namen vielleicht und dass wir uns treffen wollen. Dann wirst Du die Anweisungen über unseren Treffpunkt ganz einfach finden."

"Aber ich weiß doch gar nicht deinen Namen! Schon seit dieser Märchenteil begonnen hat, frag ich dich danach. "Und du hast ihn mir immer noch nicht verraten. Das ist gemein!"

"Aha, aber wenn du so was mit anderen machst, dann ist das gut und du nennst dich dann einen Till, so wie diese beiden Jammergestalten, die ich heute verjagt habe. ("Heh, hab ich die nicht verjagt?" wollte der Tischlerseppel fragen, aber er ließ es dann doch) Und du bist dann auch noch stolz darauf. Aber ich habe dir meinen Namen gesagt und wenn du wirklich nicht weißt, welches der Magier mit den Ringen ist, dann musst du halt alle Namen, die ich dir nannte ausprobieren. Ich hoffe, die Eule G'Uhu-Gell hat genug Geduld mit dir und beißt dich nicht."

Er zückte seinen Zauberstab und ehe der Tischlerseppel sich erinnerte und fragen konnte: "Heh, wieso wäre der dritte Wunsch mein Verderben gewesen?", ehe er es sich versah, war der Tischlerseppel wieder eingeschlafen.

Natürlich träumte er wieder, wie immer, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

 
zur übergeordneten Seite

 zur Startseite